Goldener Meisterbrief für Bäckermeister Manfred Oomen

Herausforderungen gestern wie heute

„Es ist selten, dass ein Bäckermeister mit 70 Jahren noch in der Backstube steht“, stellte Johannes Gerhards, Obermeister der Bäckerinnung Niederrhein Kleve-Wesel, fest, als er Manfred Oomen in der Zentrale der Landbäckerei Oomen in Wachtendonk Ende Juni den Goldenen Meisterbrief überreichte.

Die Liebe zum Bäcker- und Konditorenhandwerk, verbunden mit einer Gabe für kreative Ideen wie den persönlichen Stollen, individuelle Pralinen und sogar Pralinenseminare, lässt den Inhaber von zehn Filialen am linken Niederrhein mit einem zufriedenen Lächeln auf seinen beruflichen Weg zurückschauen. „Ich hatte ne richtig schöne Zeit, und die ist noch nicht vorbei“, sagt Manfred Oomen und erzählt von seiner neuesten Erfindung: Honigpralinen mit Kempener Frühlingshonig vom dortigen Imkerverein.

Es mutet verrückt an, wenn man sich die Anfänge der Bäckerei Oomen und die Situation heute anschaut, galt es doch, zu beiden Zeiten ganz besondere Herausforderungen zu meistern. „In der Nachkriegszeit waren wir arm. Wir hatten kein Telefon und kein Fernsehen, mussten über den Hof zur Toilette, und unsere Bäckerei hatte keinen Kühlschrank. Ich beneidete meine Lehrmeister im Café Monka in Geldern, wo der Milchmann zweimal in der Woche Sahne in 20-Liter-Kannen vorbeibrachte. Mein Vater bekam damals in der Woche ein bis zwei Liter Sahne“, erinnert sich Manfred Oomen und fügt schmunzelnd hinzu: „Ich hab immer gedacht, wie schön es wäre, wenn der Milchmann auch zu uns mit den großen Kannen Sahne käme. Irgendwann war es dann auch so weit, allerdings wurde ausgerechnet zu dem Zeitpunkt auf Tetrapack umgestellt…“


Gratwanderung zwischen steigenden Preisen und Kundenansprüchen

Heute hat das Bäckerhandwerk, wie viele andere Betriebe, angesichts der Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs mit neuen, ganz anderen Problemen zu kämpfen. Man kennt die Stichworte: Rohstoffknappheit, steigende Preise für Backmittel und Energie, gebremstes Kaufverhalten der Verbraucher, Personalmangel, rückläufige Ausbildungszahlen. Manfred Oomen wird konkret: „Die Mehl- und Butterpreise haben sich in einem Jahr mehr als verdoppelt, die für Eier und Saaten wie Leinsamen, Sesam und Sonnenblumenkerne sogar verdreifacht. Zwei unserer Bäckereien sind nachmittags noch geschlossen, weil Personal fehlt.“ Hinzu käme ein Umdenken bei den Verbrauchern, denen Handy und Urlaub vermutlich wichtiger seien als eine gesunde Ernährung, die zunehmend teurer werde. „Vor zwei Jahren hat ein 750-Gramm Roggenbrot noch 2,70 Euro gekostet. Heute sind es 3,50 Euro – und sobald Körner oder Kürbiskerne drin sind, wird es noch teurer“, weiß der gerade ausgezeichnete Bäckermeister.

Innungsmeister Johannes Gerhards wagt sich ketzerisch nach vorn: „Mit einem 750 Gramm Graubrot kann eine vierköpfige Familie eine gesamte Mahlzeit bestreiten, das sind immerhin 20 Scheiben.“ Manfred Oomen hat sich kürzlich dabei ertappt, wie er beim Belegen eines Krustis mit Käse kalkulierte und auf einen Verkaufspreis von vier Euro kam. „Da denke auch ich: Mensch, ist das viel. Andererseits hat man damit was Gescheites, im Vergleich zu einem Burger, für den viele, ohne Nachzudenken, über fünf Euro bezahlen.“

Oomen: „Lohnerhöhungen sind wichtig“

Nicht nur das veränderte Verbraucherverhalten und die steigenden Energiepreise machen den Bäckermeistern Sorgen, sondern auch die kommenden Lohnerhöhungen. Zum Jahresende laufen die Lohn- und Gehaltstarifverträge aus, und es wird neu verhandelt. „Unsere Mitarbeiter müssen auch mehr verdienen, sonst hängen wir uns ab“, sagt Manfred Oomen. Er berichtet von einer Verkäuferin, die jeden Tag von Geldern in die Filiale nach Grefrath fährt und unter den gestiegenen Spritpreisen leidet. Andererseits müssen höhere Löhne auch refinanziert werden, um das Unternehmen nicht in eine wirtschaftliche Schieflage zu bringen. „Ich bin allerdings skeptisch, dass wir die Preise entsprechend erhöhen können. Das werden unsere Kunden, von denen vielen das Wasser selbst bis zum Hals steht, vermutlich nicht akzeptieren.“ Damit spricht der Firmenchef ein Dilemma an, aus dem es, zumindest nach heutiger Sicht, keinen Ausweg zu geben scheint.
Bäckermeister und Innungsmeister bringen die aktuelle Situation so auf den Punkt: „Früher musste man hungrige Leute satt machen. Heute muss man satte Leuten mit guten Ideen und hervorragenden Produkten Appetit machen.“

Mit einer Kiste Rosinen fing alles an
Die Landbäckerei Oomen wurde 1949 von Willi und Gertrud Oomen, den Eltern des heutigen Inhabers Manfred Oomen, in Wachtendonk gegründet. Ihr Startkapital war eine Kiste Rosinen: eine Kostbarkeit in der Nachkriegszeit. Schnell sprach sich herum, dass es bei Oomen Rosinenbrot gab. In den folgenden Jahrzehnten expandierte das Unternehmen. 1982 übergaben die Eltern den Betrieb an die nächste Generation. Manfred Oomen baute den Betrieb mit kaufmännischem Geschick und guten Marketing-Ideen zum damaligen „Brotway am Niederrhein“ aus. Heute hat die Landbäckerei Oomen zehn Filialen am Niederrhein. 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen in der Firmenzentrale mit Produktion in Wachtendonk sowie in den Bäckereien und Cafés in Kempen, Grefrath, Oedt, Anrath, Vorst, Wachtendonk, Kerken, Lobberich, Kaldenkirchen und Brüggen für tägliches Brot, Brötchen, Teilchen und Kuchen.

 

Bäckermeister Manfred Oomen: Erinnerungen aus 50 Jahren

„Der kann mit Schokolade schreiben“

50 Jahre nach seiner Prüfung zum Bäckermeister erinnert sich Manfred Oomen. „Anders als bei Konditoren, die als Meisterstück beispielsweise eine Hochzeitstorte kreieren mussten, war es bei mir so, dass ich einen Tag in der Bäckerei bestehen musste. Dazu gehörte das Backen von Schwarzbrot bis zu Brötchen, aber auch das Meistern von sämtlichen Problemen, die im Betriebsablauf auftreten können.“ Lächelnd erzählt er, dass sein damaliger Lehrmeister, Leo Terhorst, in seinem allerersten Meisterkurs seinen Vater ausgebildet hat.

Bevor Manfred Oomen seinen Meister im Bäckerhandwerk machte, hatte er seine Lehre als Konditor abgeschlossen. „Das war immer meine große Leidenschaft“, verrät er und berichtet von seiner Gesellenzeit beim „ersten Konditor in Geldern“, dem Café Monka. „Das war ne super Konditorei, Kunden kamen sogar aus Düsseldorf. Dort habe ich gelernt, Marzipan mit Lebensmittelfarben bunt zu schminken. Das hatten unsere Kunden in Wachtendonk noch nie gesehen. Ich erinnere mich noch gerne an ihren Satz: ,Der kann mit Schokolade schreiben‘.“ Manfred Oomen ist heute noch glücklich darüber, dass er sich immer kreativ austoben konnte und ihm nie die Ideen für neue Rezepte ausgingen.

Vom Konditorgesellen zum Bäckermeister

Während Oomens Gesellenzeit wurde sein Vater krank und legte seinem Sohn ans Herz, den Betrieb zu übernehmen. Dafür war allerdings der Meisterbrief erforderlich. Und so wurde aus dem Konditorgeselle ein Bäckermeister. Sein erstes Brot hatte Manfred Oomen aber schon mit 12 Jahren gebacken. „Mein Vater musste plötzlich ins Krankenhaus und sagte mir: „Manni, du hast morgen schulfrei! Back Weißbrot und Graubrot. Das hab ich gemacht. Als Kind habe ich immer in der Backstube geholfen. Das hab ich auch immer gerne getan, bis auf einmal. Da wollte mein Vater unbedingt, dass ich ihm beim Schwarzbrotbacken helfe. Ich hatte aber eine Verabredung mit Annemie aus meiner Klasse. Mein Vater war stinksauer, dass an diesem Tag das Mädchen wichtiger war als sein Schwarzbrot.“
Seinen ersten Lohn hat Klein-Manni übrigens schon als Grundschulkind bekommen. Er erinnert sich: „Ich habe Plätzchen aus Mürbeteig gemacht, und Mutti hat sie ins Fenster gelegt. Die wurden auch prompt verkauft, und ich habe zehn Pfennige bekommen.“
Mürbeteigplätzchen und einfache Brötchen, das waren die Genüsse der Siebzigerjahre. Hinzu kamen samstags dann die ersten Mohnbrötchen. „Später habe ich unser Sortiment durch weitere Brötchensorten wie Sesam- und Zwiebelbrötchen oder auch Röggelchen erweitert. Eine kreative Idee seines Sohnes machte Vater Willi sehr stolz. Manfred Oomen erzählt: „Im Januar 1974 hatte noch keine Bäckerei Erdbeeren. Da habe ich in Venlo Erdbeeren gekauft und sie zur Winterkirmes in Torten verarbeitet. Das war der Renner.“ Mittlerweile setzt Manfred Oomen allerdings auf saisonales Obst aus der Region.

Aktionen mit Manni Breuckmann und Guildo Horn

Auch später überraschte Manfred Oomen immer wieder mit seinem Gespür für Kreatives und Öffentlichkeitswirksames: In der Pralinenwerkstatt des Café Peerbooms in Kempen schufen die Stadtoberen aus Wachtendonk, Kempen und Tönisvorst „Bürgermeisterpralinen“, WDR-Sportreporterlegende Manni Breuckmann outete sich als großer Printenfan der Bäckerei Oomen und legte sogar eine Buchvorstellung ins Café. Sänger Guildo Horn schuf im Rahmen eines Konzerts in Kempen zusammen mit Manfred Oomen eine riesige Nussecke. Seine Gage stiftete der ausgebildete Pädagoge und Musiktherapeut dem Heilpädagogischen Zentrum Krefeld. Dazu kamen originelle Pralinen-Kreationen wie „Brüggener Burgmäuse“, „Kempsche Kappesköpp“ und „Niersperlen“, aber auch Pralinen mit Firmenlogos oder den Konterfeis von Geburtstagskindern. Neuerster Clou: Honigpralinen mit dem Saft von Kempener Bienen.